Das Warten

Ich sitze zuhause, außer am PC kann ich kaum was arbeiten. Conny ist auf der Arbeit, ich fahre sie morgens hin und hole sie ab, damit sie nicht im Bus sitzen muss. Ist auch zu meinem Schutz, denn: wegen meiner Herztransplantation gehöre ich zur Risikogruppe, mein Immunsystem ist unterdrückt. Mit den Vorsichtsmaßnahmen lebe ich seit Juli 2018. Das Warten auf der Intensivstation, damals in Heidelberg, war natürlich übler als das Warten hier in der Wohnung, das Abwarten, dass die Corona-Epedemie abebbt und ich meine Höhle wieder verlassen kann. Damals, im Winter 2017/2018 war die schlimme Grippewelle. Und die Intensivbetten der Kardiologie in Heidelberg wurden mit schweren Grippefällen aufgefüllt.
Hier zu Hause ist eine himmlische Ruhe und ich bin gesund. Und ich versuche mich zu erinnern, wie ich damals ein viel längeres Warten überstanden habe...

Der Herr Sutter übers Warten zur grünen Dame:

Eine Limonade später klopft es und keiner kommt direkt hinterher. Aha. Das kann kein Arzt, das kann keine Schwester sein.
„Herein!“ ruft Mirko.
Ein grüner Kittel kommt durch die Tür, ohne Wägelchen. Schwarzgefärbte Kurzhaarfrisur. Das Gesicht von feinen Fältchen durchzogen. Das lächelt breit mit guten falschen Zähnen. Das Lächeln ist wie festgetackert, macht die Augen hinter der Brille klein. Dadurch wirkt die grüne Dame ein wenig verschmitzt. Sie stört Herrn Sutter beim Genuss seiner Rhabarberlimonade. Sie spricht ihn auf seine Gitarre an. Die liegt hinter ihm auf dem Bett.
„Gell, hier muss man Geduld haben!“ meint sie routiniert.
Der Herr Sutter ärgert sich, weil er anfängt, ihr etwas von sich zu erzählen. Vom Nichtzählen der Tage. Der vergangenen und der kommenden.
„Hier muss man die Zeit tot schlagen“, stellt sie fest.
„Nee, eigentlich nicht. Will ich auch nicht. Ich will hier leben, könnten ja meine letzten Tage sein“, widerspricht Herr Sutter.
Und er erzählt ärgerlicherweise weiter, was er alles so treibt. Hört sie ihm überhaupt zu? Sie wünscht Herrn Sutter immer wieder Geduld, obwohl er sagt, dass er derzeit keine braucht. Der Herr Sutter möchte, dass sie geht. Sie merkt das nicht und bleibt. Spricht vom depressiven Tief, das sicher kommt. Wünscht sie Herrn Sutter Geduld, bis dieses Tief endlich kommt? Er mache sie arbeitslos, sagt sie bedauernd.
Dann verlässt die grüne Dame das Zimmer.

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